Im Werkvertragsrecht gibt es nunmehr seit dem Urteil des Baurechtssenats des BGH vom 22.02.2018 keine fiktiven Schadenskosten mehr. Das bahnbrechende Urteil des BGH, dessen rechtliche und tatsächliche Auswirkungen auf die weitere Rechtsprechung derzeit wohl noch gar nicht abschließend vorhersehbar sind, soll eine Schadensüberkompensation, also eine Besserstellung des geschädigten Bauherrn, verhindern.
Der VII. Bausenat des BGH hat mit Urteil vom 22.02.2018 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und ein Grundsatzurteil zu der Frage des fiktiven Schadensersatzes getroffen, also wenn ein Mangel nicht beseitigt würde und stattdessen auf Grundlage einer Kapitalisierung der Mängelbeseitigungskosten in entsprechender Höhe Schadensersatz verlangt würde.
Bisherige Rechtsprechung war es, dass ein Bauherr einen sogenannten fiktiven Schadensersatz aufgrund mangelhaft ausgeführter Bauarbeiten auch für den Fall fordern konnte, dass die vorhandenen Mängel tatsächlich nicht beseitigt wurden. Der Bauherr konnte also das mangelhafte Bauwerk behalten und die Nettokosten der Mängelbeseitigung als Schadensersatz verlangen.
Mit seinem Urteil vom 22.02.2018 entschied nun der Baurechtssenat des BGH abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung wie folgt:
Der Bauherr, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigt, sondern diese nur fiktiv ermittelt, hat auch keinen Vermögensschaden in Höhe dieser bloß fiktiv ermittelten Mängelbeseitigungsaufwendungen. Erst wenn er den Mangel beseitigen lässt und die Kosten dafür begleicht, entsteht ihm ein solcher Vermögensschaden.
Zur Begründung führt der BGH insoweit an, dass der Mangel selbst nicht den Vermögensschaden in Höhe der fiktiven Beseitigungskosten darstellt. Ein Mangel sei vielmehr zunächst einmal nur ein Leistungsdefizit, weil das Werk hinter der geschuldeten Leistung zurückbleibt. Bei einer Schadensbemessung nach bloß fiktiven Maßstäben würde dieses Leistungsdefizit bei einer wertenden Betrachtung nicht zutreffend abgebildet werden, sondern vielmehr häufig zu einer Überkompensation und damit nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Bereicherung des Bauherrn führen.
Fazit:
Das Urteil markiert eine grundsätzliche Wendung der bisherigen BGH-Rechtsprechung und steht im Gegensatz zur dortigen sonst eher bauherrenfreundlichen Rechtsprechung im Bau- und Architektenrecht.
Die Überkompensation bei fiktiver Schadensberechnung macht häufig gar eine Teilfinanzierung von Bauvorhaben über den Schadensfall möglich. Auch die gern praktizierte Vorgehensweise von Bauträgern, wegen kleinerer, oft bloß optischer Mängel eine Kürzung des Werklohns des beauftragten Unternehmers vorzunehmen, obwohl der Kaufpreis voll vereinnahmt wurde, dürfte nun der Vergangenheit angehören.
Die praktischen Auswirkungen der Grundsatzentscheidung des BGH sind enorm. Das Urteil des BGH gilt für alle Bauverträge, Architekten- und Ingenieurverträge und Bauträgerverträge, soweit diese als Werkvertrag einzustufen sind. Es dürfte dazu führen, dass der Vergleichsdruck der Parteien erhöht wird und sich hierüber langwierige Rechtsstreitigkeiten vermeiden lassen.